| Veranstaltung: | Landesmitgliederversammlung | 24. - 26.10.2025 | Winterbach |
|---|---|
| Tagesordnungspunkt: | 9 V-Anträge |
| Antragsteller*in: | Viona-Loreen Merkle (KV Tübingen) |
| Status: | Zurückgezogen |
| Angelegt: | 23.10.2025, 00:06 |
A6: Eine unabhängige Ermittlungsstelle für Polizeidelikte – Institutionalisierten Rassismus bekämpfen
Antragstext
Eine handlungsfähige unabhängige Polizei-Beschwerdestelle
In Baden-Württemberg gibt es seit 2016 die Stelle der Bürger*innenbeauftragten
mit einer Zuständigkeit der Polizei. Diese soll primär eine Mediation zwischen
Verwaltung und Bürger*innen ermöglichen. Es können also auch Beschwerden über
Diskriminierung durch die Polizei eingereicht werden, jedoch dient eine
Beschwerde bei der/dem Bürger*innenbeauftragten nicht, um diese Fälle effektiv
zu verfolgen und aufzuarbeiten. Ein Recht auf Akteneinsicht und
Ermittlungskompetenzen besteht bisher nicht. So darf die Beschwerdestelle in
Baden-Württemberg nicht tätig werden, wenn Polizei und Staatsanwaltschaft
bereits ermitteln und auch laufende Untersuchen müssen vorläufig beendet werden,
sobald ein Straf- oder Disziplinarverfahren angestoßen wird. Dieser Zustand
verhindert die Aufklärung strukturelle Missstände und muss dringend reformiert
werden.
Wir fordern eine handlungsfähige polizeiexterne Ermittlungsinstitution mit
uneingeschränkter Akteneinsicht sowie weitreichenden Ermittlungskompetenzen, um
Fälle von Diskriminierung endlich effektiv aufklären zu können. Eine mögliche
Form könnten Schwerpunktstaatsanwaltschaften mit der Spezialisierung auf
Polizeidelikte sein. Der Auftrag einer Polizei-Beschwerdestelle muss sein,
strafrechtliche Ermittlungen bei dem Verdacht auf Misshandlungen oder
Todesfällen in Zusammenhang mit polizeilichen Maßnahmen durchzuführen, das
bisherige Prinzip der bloßen Mediation reicht bei weitem nicht aus.
Diskriminierende Strukturen bekämpfen
Institutionalisierte Diskriminierung in der, sowie durch die Polizei ist
Realität. Sie findet statt, wenn diskriminierende Differenzierung für einzelne
Polizist*innen handlungsleitend wird, unabhängig von der Intention oder der
persönlichen Einstellung. Beispiele hierfür sind unabhängige Personenkontrolle,
die aufgrund von ethnisch-kulturellen Zuschreibungen durchgeführt werden.
Menschen mit Migrationsgeschichte werden dabei überdurchschnittlich häufig
kontrolliert, weil sie „aus polizeilicher Erfahrung“ eher als kriminell
verdächtigt werden oder pauschal als Teil eines „typischen Clanmilieus“
beschrieben werden. Diese Praxis muss konsequent bekämpft werden. Eine
Kennzeichnungspflicht für Polizist*innen auch außerhalb von Großveranstaltungen
ist hierfür essenziell. Polizist*innen müssen jederzeit identifizierbar sein, um
Diskriminierung und Gewalterfahrungen melden und zur Anzeige bringen zu können.
Armutskriminalität wird von der Polizei häufiger erfasst als Formen der
Kriminalität durch höhere Schichten und Klassen. Zusätzlich wenden sich Menschen
mit geringer Beschwerdemacht, wie beispielsweise Obdachlose oder Menschen mit
Kommunikationsschwierigkeiten nur selten an die Beschwerdestellen. Bildung,
Klassenzugehörigkeit und ökonomische Ressourcen haben einen erheblichen Einfluss
auf eine Einleitung oder eben keine Einleitung eines Beschwerdeverfahrens.
Deshalb braucht es eine niedrigschwellige Öffentlichkeitsarbeit einer Polizei-
Beschwerdestelle in Baden-Württemberg, die gezielt auch Menschen mit geringer
Entscheidungsmacht erreicht. Ihre Hürden müssen stets mitgedacht und der Zugang
zu Beschwerdestellen so einfach wie möglich gestaltet werden.
Innerhalb der Polizei müssen antirassistische Strukturen etabliert werden, dazu
gehörten verpflichtende Fortbildungsmaßnahmen, die zur Aufklärung und dem Abbau
diskriminierender Strukturen führen. Diskriminierendes Verhalten muss konsequent
verfolgt und unterbunden werden.
Darüber hinaus braucht es eine standardisierte Erfassung rassistischer
Verdachtsfälle durch Polizeibeschäftigte in Baden-Württemberg, um
diskriminierende Strukturen sichtbar zu machen und gezielte Maßnahmen zur
Bekämpfung entwickeln zu können.
Zudem müssen gesetzliche Grundlagen und Dienstvorschriften, die rassistisches
Handeln der Polizei ermöglichen und fördern, wie die verdachtsunabhängige
Kontrollnorm oder die Residenzpflicht evaluiert und abgeschafft werden.
Unterstützer*innen
- Richard Langer
- Finn Schwarz
- Antonia Kind
- Miriam Kovacevic
Änderungsanträge
- A6-047 (Antonia Kind, Eingereicht)