Veranstaltung: | Landesmitgliederversammlung | 9. - 11.5.2025 | Filderstadt |
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Tagesordnungspunkt: | 5 V-Anträge |
Antragsteller*in: | Landesvorstand GRÜNE JUGEND Baden- Württemberg (Beschluss vom 27.4.2025) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 27.04.2025, 17:03 |
A12: Gegen die Normalisierung rechter Narrative - Für konsequenten Antirassismus und migrationssolidarische Politik
Antragstext
Rassismus ist Realität – im Alltag, in Institutionen und in politischen
Debatten. Er zeigt sich in struktureller Benachteiligung, sprachlicher
Ausgrenzung und institutioneller Gewalt. Menschen erleben Diskriminierung auf
dem Wohnungsmarkt, im Kontakt mit der Polizei, in Bildungseinrichtungen und auf
dem Arbeitsmarkt. Frauen mit Kopftuch werden bei Bewerbungen benachteiligt,
People of Color erleben Racial Profiling, Romnja und Sintizze sind weiterhin
systematischer Ausgrenzung ausgesetzt, geflüchtete Menschen werden trotz
Qualifikation vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen.
Besonders migrantisierte Menschen sind häufig Teil mehrfach marginalisierter
Gruppen und erfahren an den Schnittstellen von Rassismus, Sexismus, Klassismus
und weiteren Diskriminierungsformen zusätzliche Ausgrenzung. Diese
intersektionalen Erfahrungen zeigen, dass es eine solidarische und sozial
gerechte Politik braucht, die Diskriminierungen gemeinsam bekämpft und Teilhabe
für alle ermöglicht.
Rassismus in seinen verschiedenen Ausprägungen ist tief in der Gesellschaft
verankert – und macht auch vor politischen Strukturen nicht halt. Wer
Verantwortung übernimmt, muss sich dieser Realität stellen. Das gilt für
staatliche Institutionen ebenso wie für zivilgesellschaftliche Organisationen
und politische Parteien – auch für die GRÜNE JUGEND.
Teil I: Antirassismus im Verband verankern
Als GRÜNE JUGEND Baden-Württemberg wollen wir ein Verband sein, in dem alle
Menschen gleichberechtigt mitwirken können. Dafür müssen wir aktiv an unseren
Strukturen arbeiten, Diskriminierung abbauen und empowernde Räume schaffen.
Rassismuskritik darf keine Einzelverantwortung migrantischer Mitglieder sein,
sondern muss als kollektive Aufgabe verstanden werden. Wir möchten die
antirassistische Verbandsstrategie des Bundesverbands umsetzen und haben daher
die folgenden Maßnahmen für Baden-Württemberg abgeleitet:
Deshalb wollen wir Folgendes umsetzen:
Verstetigung antirassistischer Bildungsarbeit auf allen Ebenen des
Verbands: Vorstände und Aktive sollen regelmäßig Workshop-Angebote für
alle Mitglieder anbieten und für strukturelle Diskriminierung
sensibilisiert werden.
Klare Unterscheidung zwischen Empowerment und Bildungsarbeit:
Migrantisierte Mitglieder sollen Verantwortung übernehmen können, ohne auf
Rassismusthemen beschränkt zu werden. Unsere antirassistische
Bildungsarbeit muss sich an alle Mitglieder richten; zusätzlich wollen wir
gezielte Bildungsangebote für migrantisierte Mitglieder schaffen.
Aufbau eines Teams für antirassistische Strategien: Um langfristig
wirksame antirassistische Arbeit im Verband zu verankern, verpflichten wir
uns, zur LMV im Oktober 2025 ein Statut einzubringen, das die Grundlage
für ein landesweites Team schafft. Dieses Team soll migrantischen
Perspektiven eine feste Struktur und Stimme geben, Bildungsangebote
koordinieren, Kreisverbände beim Abbau von Zugangshürden unterstützen und
eng mit dem Landesvorstand zusammenarbeiten. Darüber hinaus wird es die
antirassistische Bildungsarbeit und Schulungen weiterentwickeln sowie
bestehende Strukturen kritisch bearbeiten und verbessern.
Förderung migrantisierten Engagements und Schaffung einladender
Strukturen: Wir wollen gezielt neue Mitglieder aktiv willkommen heißen,
Unsicherheiten abbauen und insbesondere in den Kreisverbänden das Ankommen
erleichtern. Dabei berücksichtigen wir, dass migrantisierte Mitglieder
häufig mit zusätzlichen Herausforderungen konfrontiert sind und andere
Politisierungsschwerpunkte haben. Deshalb wollen wir nicht nur Räume für
migrantisiertes Engagement öffnen, sondern auch vielfältige Themen
aufgreifen, die diese Interessen widerspiegeln.
Regelmäßige Evaluation unserer Öffentlichkeitsarbeit und politischen
Kommunikation: Wir wollen Diskriminierung vermeiden und die
Lebensrealitäten migrantischer Menschen sichtbarer machen.
Eine progressive Bewegung muss selbstkritisch, offen und solidarisch sein – auch
nach innen.
Teil II: Gegen migrationsfeindliche Rhetorik in der Partei
Kein Mensch verlässt leichtfertig seine Heimat. Menschen fliehen, weil sie
müssen – aus purer Not. Weil ihre Häuser im Krieg zerstört wurden, weil sie
politisch verfolgt werden, weil sie wegen ihrer Religion, Herkunft, Sexualität
oder Meinung Gewalt fürchten müssen. Familien, die sich in überfüllte Boote
wagen, setzen ihr Leben aufs Spiel, weil das Risiko zu bleiben noch größer ist.
Auf diesem Weg verlieren sie oft Angehörige, werden Opfer von Ausbeutung, Gewalt
oder landen in Lagern unter unmenschlichen Bedingungen.
Es ist Zeit, eine klare Haltung zu zeigen: Für ein Asylrecht, das schützt –
nicht abschreckt. Für eine Sprache, die differenziert – nicht stigmatisiert. Und
für eine Gesellschaft, die nicht wegschaut, sondern hinsieht.
In der politischen Debatte, aber auch innerhalb von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
stellen wir mit wachsender Sorge fest, dass migrationsfeindliche Narrative
zunehmend Eingang in die politische Kommunikation finden. Doch statt uns der
vermeintlichen gesellschaftlichen Stimmung anzupassen, müssen wir mit eigenen
Narrativen entschlossen auftreten, die unsere Grundwerte wieder ins Zentrum
rücken. Wir dürfen Vorschläge, die das individuelle Asylrecht relativieren,
sowie Formulierungen, die pauschalisieren und stigmatisieren, in der politischen
Kommunikation nicht verbreiten. Migration ist kein Sicherheitsproblem. Wer das
behauptet, liegt falsch.
Solche Aussagen – auch von grünen Funktionsträgerinnen – tragen zur
Normalisierung rechter Denkmuster bei, ob beabsichtigt oder nicht. Sie
verunsichern nicht nur unsere eigene Basis, sondern signalisieren auch jenen
Menschen, die ohnehin bereits von Rassismus und Ausgrenzung betroffen sind, dass
ihre Perspektiven und Rechte zur Verhandlungsmasse werden. Das widerspricht
unserem Anspruch, eine Partei der Menschenrechte, der Solidarität und des
Antirassismus zu sein. Derartigen Äußerungen – auch von grünen
Funktionsträgerinnen – werden wir uns als GRÜNE JUGEND weiterhin entschieden
entgegensetzen.
Deshalb fordern wir:
Ein klares Bekenntnis der gesamten Partei zur Unantastbarkeit des
individuellen Asylrechts und zur Solidarität mit allen Menschen auf der
Flucht – ohne Relativierungen oder Bedingungen.
Eine eindeutige Distanzierung von jeder Form migrationsfeindlicher oder
entmenschlichender Rhetorik – auch, wenn sie von Mitgliedern der eigenen
Partei stammt.
Eine politische und sprachliche Praxis, die sich nicht an rechten Debatten
orientiert, sondern klar menschenrechtsbasiert agiert.
Wer rechte Rhetorik übernimmt, verschiebt nicht nur den Diskurs – er verrät auch
die Menschen, die auf unsere Solidarität angewiesen sind.
Wir als GRÜNE JUGEND Baden-Württemberg stehen für eine Politik, die sich
unmissverständlich gegen Ausgrenzung und für eine solidarische Migrationspolitik
stellt.
Wir fordern unsere Mutterpartei auf, dies auch konsequent zu tun.
Begründung
Wir haben uns als GRÜNE JUGEND Baden-Württemberg auch in der Vergangenheit stets klar gegen Rassismus, Diskriminierung und migrationsfeindliche Rhetorik positioniert. Diese Haltung ist fester Bestandteil unserer politischen Arbeit und Identität. Mit diesem Antrag wollen wir unsere Grundsätze noch einmal deutlich hervorheben, konkrete Maßnahmen benennen und unser Engagement für eine antirassistische, solidarische Politik weiter verbindlich stärken.